Mehr Experimente

von Rudi, DK7PE

Bild 1 - SWR-Antenne

Bild 1 – SWR-Antenne

Die Vertikalantenne des Rheinsenders Wolfsheim ist mit 150m Länge ideal geeignet für Europa-Funkverkehr auf den klassischen Amateurfunkbändern, zwischen 1,8 und 28MHz. Bedingt durch die Speisung am unteren Ende hat sie in diesen Frequenzbereichen einen relativ steilen Abstrahlwinkel (Langdrahteffekt).  Dies hatte sich bei unseren ersten Sendeversuchen im Sommer dieses Jahr bereits bestätigt.

Mit dieser Erfahrung wollten wir uns aber nicht zufrieden geben und suchten nach Alternativen, wie wir die Antenne in der knappen uns noch Verfügung stehenden Zeit, optimal für DX-Verbindungen nutzen können. Überlegungen, z.B. eine volle 160m Delta Loop daran hochzuziehen und den Mast nur als Abspannpunkt zu nutzen, scheiterten schon allein daran, dass zum Besteigen – im Inneren befindet sich ein Steigleiter – eine spezielle Steige-Lizenz benötigt  wird. Leider erwiesen sich auch alle anderen Denkmodelle, wie wir eine Antenne hoch ziehen können, als nicht umsetzbar. Schlappe 150m können eben verdammt „weit“  sein, besonders wenn es senkrecht nach oben geht. Unsere kleine Umlenkrolle mit 300m Endlos-Zugseil hatte daher nie eine reelle Chance, jemals ganz nach oben zu kommen…

Bild 2 - 1000 pF Kondensator (rechts)

Bild 2 – 1000 pF Kondensator (rechts)

Viertelwelle auf 630m: Dass wir in Deutschland seit Sommer dieses Jahres auf dem 630m Mittelwellenband arbeiten dürfen, hatten wir zwar alle irgendwie mitbekommen, aber aufgrund mangelnder Geräte Sender/Tuner und vor allem Antennen, hatte sich bisher niemand weiter damit beschäftigt. Auf diesem  Band ist der Wirkungsgrad der für unsereins möglichen Antennen meist so gering, dass man trotz 100 Watt Sendeleistung froh sein kann, wenn es einem gelingt, eine Strahlungsleistung von 0,5 Watt ERP zu erzeugen. Mit der Möglichkeit auf eine Viertelwellen-Groundplane mit gigantischem Erdnetz zugreifen zu können, sah die Sache jedoch schon ganz anders aus. Das war sie, unsere Alternative!

Einen 500kHz Sender besorgten wir aus Finnland. Die Fa. JUMA liefert entsprechende Bausätze auf SMD Basis. Vielen Dank an Uwe aus Kiel, DK1KQ, der uns den Sender zusammenbaute. Er  funktioniert prima.

08. September 2012, geplanter Termin für unseren ersten CQ-Ruf auf 472,5kHz. Da unser Signal wahrscheinlich nicht ungehört bleiben würde, nahmen wir vorher Kontakt mit Geri, DK8KW (cqDL 08/2012 Artikel über 630m) und anderen erfahrenen MW-Freaks auf, um uns nach den dort geltenden Spielregen zu erkundigen. Wo hören? Wo senden? Gibt es Cross-Band Betrieb? Welche Frequenzen sind zu meiden und wo sind die wichtigsten Baken zur Orientierung? Schließlich wollten wir mit unseren ersten „Gehversuchen“ ja nicht gleich als Krokodil unangenehm auffallen… In den MW-Foren verbreiteten wir eine kurze Info, dass der OV Mainz mit ersten Sendeversuchen auf 630m QRV sein wird und Empfangsberichte via E-Mail willkommen sind.

Die Anpassung: Unser Antennen Analyzer zeigte eine Eigenresonanz der Sendeantenne von  457kHz, sie lag also nur ca. 20kHz neben unserer Wunschfrequenz.  Sie war demnach einige Meter zu lang und der induktive Blindanteil musste mit einem entsprechenden „C“ kompensiert werden. Auf diesem Band sind die benötigten Abstimmkomponenten von Natur aus etwas unhandlicher als bei den uns sonst vertrauten Bändern. Dieter (DK8PC) deutete aber auf etwas, was ungefähr so aussah wie ein 150 Liter Heißwasserboiler und sagte: „den nemme mer!“. Es war einer der noch übrig gebliebenen 1000pF Kondensatoren der, nach Einschleifen in die Antennenzuleitung, die Resonanzfrequenz nach oben zog und das SWR schlagartig auf angenehme 1,5:1 verbesserte.

Bild 3: Abstimmarbeiten an der Antenne

Bild 3: Abstimmarbeiten an der Antenne

Das erste QSO: Der verwendete JUMA Sender beinhaltet empfangsseitig einen Konverter, der die MW-Signale auf das 80m Band umsetzt. Als nachgesetzter Empfänger diente ein IC 735. Auf der Frequenz 3.472,5 waren also die Signale von 472,5kHz zu finden. Mit dieser Konfiguration legten wir mit einem ersten cq-Ruf los! Das QRM war mörderisch, aber es kam tatsächlich eine Antwort. DL1SAN meldete sich mit gut hörbarem Signal. Toll! Unser erstes 630m QSO!

Parallel verfolgten wir die ersten Cluster Meldungen im Internet: “Scanning the CW band 472-7kHz a strong, I mean very strong signal was heard from DK0SWF on 472,5 – PA3ABK“. Dies bestätigte uns, dass wir zumindest in Mitteleuropa mit 1,0 Watt ERP sehr gut gehört wurden.  Am nächsten Tag erhielten wir sogar einen Empfangsbericht von den Shettland Inseln, wo wir einwandfrei aufzunehmen waren. Der OM dort war begeistert, erstmals ein solch solides Signal aus DL zu hören. Es wäre sogar eine Erstverbindung gewesen, aber das QRM auf unserer Seite war so stark, dass wir in dieser Nacht keine einzige Station außerhalb Deutschlands aufnehmen konnten.

Auf diesem Band gibt es erstaunlich viele SWLs, z.B. lizensierte Funkamateure, die lediglich über eine Empfangsstation verfügen und sich über eine Crossband Verbindung freuen. Solche QSOs zwischen 630m und 80m sind daher durchaus übliche Praxis – immerhin ein halbes 630m QSO! Wir sendeten also auf 472,5kHz und empfingen auf 3,530MHz im 80m Band. Auf diese Weise bekamen wir noch einige Stationen zusätzlich ins Log. Fazit: Sendeseitig waren wir erstklassig aufgestellt, während unsere Empfangsverhältnisse nicht annähernd vergleichbar waren…

Ein weiterer Termin wurde angepeilt, in der Hoffnung, dass die Antenne noch so lange stehen bliebe  und wir bis dahin empfangsseitig aufrüsten können. Es folgten mehrere Gespräche mit  Christoph (DK6ED), Stefan (DK7FC), Geri (DK8KW) und auch Günter (DJ8CY) mit der Frage: „An welcher Schraube sollen wir „drehen.

Folgende ToDo Liste wurde daraufhin erstellt:

  • Beschaffen eines hochwertigen VLF Empfängers (z.B. Rohde & Schwarz EK070 oder Telefunken 1800E (DK7PE)
  • 2-Poliges 470kHz Filter besorgen, um den Empfänger zu entlasten (DF2PI)
  • Aufbau einer Remote Empfangsstation in Nieder-Olm (Entfernung ca. 10km), um von den aufgenommenen Störfeldern der großen Antenne möglichst gut entkoppelt zu sein. Funkstrecke auf 2m FM (DF2PI).
  • Aufbau einer ON4UN Empfangsloop (DK7PE)
  • Anfertigung einer Empfangsloop für 470kHz (DK1EI)
  • Aufbau einer Aktivantenne für 630m (DH0RAK)
  • Bereitstellung einer Richtfunkstrecke in das Bürgernetz Partenheim, damit wir unser Signal über TWENTE SDR (Remote RX in den Niederlanden) überwachen zu können (DF7PN)

Darüber hinaus baute uns Wolf (DF2PY) kurzerhand ein Bandfilter, das wir sowohl sende- als auch empfangsseitig verwenden konnten, ein Dämpfungsglied (-10 bis -30dB) und zusätzlich versorgte er uns mit ausreichend dimensionierten Fest- und Drehkondensatoren zur Anpassung der Antenne auf 472,5kHz.

Bild 4: Einstellen der Filter

Bild 4: Einstellen der Filter

Samstag 13.10.2012 Erster cq-Ruf mit der verbesserten Empfangsstation. Scheinbar keine Antwort, kein Signal, nur Rauschen! Im parallel mitlaufenden TEWENTE SDR hörte Wolfgang jedoch eine PA3 Station nach uns rufen, die bei uns allerdings, wegen der starken Störungen, unhörbar war! Auch Suitbert in Nieder-Olm konnte nichts aufnehmen. Ein QSO, unter Zuhilfenahme des Internet, war nicht gerade das was wir uns erhofft hatten…

Endlich rief uns DJ2EY mit einem sehr gut hörbaren Signal an. Er übertönte den Störpegel und es klappte auf Anhieb mit 599 auf beiden Seiten! Wir hörten ihn mit der großen Sendeantenne, während auf der speziell dafür ausgelegten ON4UN-Empfangsantenne nichts zu aufzunehmen war. Leider sollte dies in der gesamten Nacht auch so bleiben. In den folgenden Stunden konnten wir über den großen Mast weitere Stationen in DL, OK und PA gut empfangen und auch arbeiten. Die weiteste Verbindung gelang uns mit  G3KEV in Scarborough N. Yorks mit gefühlten S9 plus 20dB. Die Investition in den R&S Empfänger hatte sich offensichtlich gelohnt!

Die Sendeantenne war immer unsere erste Wahl für den Empfang, da die speziell aufgebauten Empfangsantennen nicht zu gebrauchen waren. In der zweiten Nachthälfte hatte ich das Gefühl, dass sich das Band sogar ruhiger anhörte, aber es war niemand mehr da. Alle schienen bereits zu schlafen! Auch PA0A, der mit einem super Signal ankam bestätigte in CW: „Nobody here!“. Offensichtlich spielt sich die Hauptaktivität auf 630m in der ersten Nachthälfte ab, obwohl sich das Band gegen Morgen, nach meinem subjektiven Eindruck, deutlich angenehmer anhört als in den Abendstunden.

Bild 5: Die Station mit EK 070 Empfänger

Bild 5: Die Station mit EK 070 Empfänger

Empfangsantennen: Warum unsere Empfangsantennen nicht funktionierten, konnten wir nur darauf zurückführen, dass sie immer noch viel zu nah, bzw. sogar mitten in der resonanten Sendeantenne standen. Da diese über ein mehrere hundert Meter langes Radial-System verfügt, wurde der von ihr aufgefangene, im Rhein-Main Gebiet extrem hohe Störpegel, direkt in die Empfangsantennen eingekoppelt.

In insgesamt drei Terminen haben wir aufgrund der gesammelten Erfahrungen, die Station kontinuierlich verbessern können, was sich in einer deutlich höheren QSO Rate zeigt. Dennoch gibt es noch ausreichend Ansatzpunkte, die Empfangssituation deutlich zu verbessern. Gefühlte 30% Potential sind garantiert noch drin! So würden wir zum Beispiel keine Empfangsantennen mehr auf dem Gelände aufbauen und sie stattdessen in 10-20km Entfernung, irgendwo im Niemandsland  platzieren. Eine 600m Beverage (Richtung NW), eine Empfangsloop und auch die beschriebene ON4UN Loop, das wär‘s! Über eine UKW Strecke würden wir die Signale zum Sender übertragen. Mit dieser Konstellation wäre mit großer Wahrscheinlichkeit einiges mehr zu holen, als eine „Trans-Channel-Verbindung“ nach England. Warum nicht sogar Trans-Atlantik Erstverbindung in native CW? Auf den Spuren von Marconi. Amateurfunk pur – mit Gänse­hauteffekt!

Leider sind aber die Tage der großen SWR-Antenne gezählt, denn aufgrund der extrem hohen Unterhaltskosten (Wartungskosten und TÜV Abnahmen) wird sie wahrscheinlich noch in diesem Jahr fallen. Ihr Schicksal ist besiegelt! Dennoch waren für uns alle die Aktivitäten am Wolfsheimer Sender absolut spannend und lehrreich. Eine solche Antenne wurde in Deutschland, nach Rücksprache mit den  Wissenden, noch nie auf 630m verwendet und wahrscheinlich werden wir in unserem Leben auch nie mehr eine solche Gelegenheit haben.

An dieser Stelle möchten wir uns beim  Südwestrundfunk (SWR) im Namen des DARC Ortsverbandes Mainz, ganz herzlich für diese einmalige Gelegenheit bedanken!