Die letzte Chance

CQWW160 CW Kontest am Rheinsender

Anfang Dezember erfuhren wir, dass die Sprengung des großen 150m Sendemastes erst Mitte Februar erfolgen soll. Eine erfreuliche Nachricht, denn ursprünglich waren wir von einem früheren Termin, im Dezember 2012, ausgegangen! Wir hatten also noch etwa zwei Monate Zeit und der größte 160m Kontest überhaupt stand vor der Tür!

In den vorausgegangenen Funkaktivitäten hatten wir die vorhandenen Sendeantennen ausgiebig getestet. Diesmal sollte der 150m Mast jedoch als gigantischer Abspannpunkt dienen. Diether, DK8PC, aktivierte einen ehemaligen Kollegen um den Mast zu besteigen um oben eine Umlenkrolle mit einem Endlosseil zu befestigen. Ausgerüstet mit professioneller Klettermontur begannen die beiden einen letzten Aufstieg im inneren des Mastes (29.12.2012). Es sollte nicht weniger als eine Stunde dauern, bis sie an der Mastspitze zu sehen waren. Diether sagte später, dass er das früher in 30 Minuten gemacht hätte. Obwohl unten fast Windstille war, blies oben ein starker, eiskalter Wind aus Südwest. Das dünne Zugseil, obwohl beschwert durch ein Gewicht, hing dadurch fast waagrecht in der Luft. Es kam erst weit entfernt vom Mast unten an. Jetzt konnte die stabile, besonders reißfeste Drachenschnur (max. Zuglast ca. 200Kilo) befestigt und nach oben gezogen werden. Die Rolle wäre viel zu schwer gewesen, um sie gleich mit nach oben zu nehmen. Das Hochziehen des Seils erwies sich als echte Herausforderung, denn die Windlast war riesig! Letztendlich war es aber dann doch geschafft und die wichtigste Aktion überhaupt war erfolgreich verlaufen!

Jetzt begannen spannende Tage des Wartens und Bangens, denn bis zum Kontest waren noch vier Wochen Zeit. Es gab Schnee, Regen, Eis und Stürme. Wird es die Zeit bis zum Kontest heil überstehen? Immer wieder fuhr jemand aus dem Team oben vorbei, um mal eben nach dem Rechten zu sehen. Kurz vor dem Kontest gab es Blitzeis. Das Seil war etwa einen Zentimeter dick vereist und zusätzlich hatte sich das Zugseil in zwei der Buhnen (Abspannung des Mastes) verhakt. Wie gesagt, es blieb spannend, bis zum letzten Moment…

Das wichtigste Problem, die Abspannung, war gelöst, aber welche Antenne sollten wir daran befestigen? Eine Zweielement Quad würde viele Abspannungsseile benötigen und wäre etwas schwierig aufzubauen. Möglicherweise wären wir durch die Seile der Mastabspannung behindert. Wir diskutierten die Vor- und Nachteile aller möglichen Systeme. Wir wollten die bestmögliche Lösung finden, denn es war uns klar, dass es uns wahrscheinlich nie wieder vergönnt sein würde, eine Antenne in solchen Dimensionen aufzubauen. Nach reiflicher Überlegung fiel die Entscheidung auf einen vertikalen Zweielement Drahtbeam (Spannungsgespeist). Er braucht nur ein Seil in Vorzugsrichtung und die Elemente hängen daran, wie an einer Wäscheleine.  Das Ganze aus 150m Höhe abgespannt zuerst in Richtung Nordamerika und „drehbar“ in Richtung Mittelamerika, in dem das untere Ende der Abspannung einfach verlegt wurde. Das Hochziehen eines mittengespeisten Strahlers wäre übrigens zu schwer gewesen und technisch nicht zu realisieren, da es uns nicht möglich gewesen wäre, das Speisekabel vom unteren Teil des Strahlers zu trennen. Wir entschieden uns daher für einen, über eine Lambda Viertel Hühnerleiter, spannungsgespeisten Strahler.

Wir wollten zwei Nächte funken und begannen deswegen schon am Freitagmittag (25.01.2013) mit den Arbeiten. Eine geplante Remote Empfangsstation in 2 Kilometer Entfernung ließ sich aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle nicht realisieren. Wir bauten unsere Beverages direkt auf dem Gelände auf. Ottfried hatte alles gut vorbereitet, wie im Antennenbuch beschrieben: Abschluss mit 450 Ohm, Transformator 1:9. Die Temperatur hatte sich auf gefühlte Minus 20 Grad eingependelt und der Ostwind lenkte die Flugzeuge über uns. Das interessierte aktuell aber niemand, galt es doch die Antennen so schnell wie nur möglich in die Luft zu bekommen. Als erstes nutzten wir das Endlosseil, um ein zweites Seil nach oben zu ziehen und einfach über einen Isolator zu legen. Sicher ist sicher, denn man weiß ja nie ob man es mal brauchen kann. Es sollte uns am Samstag noch gute Dienste leisten und uns zum Kontest noch einen richtigen „Kick“ geben. Dazu später! Das Tragseil wurde am Boden mit den beiden Elementen versehen und teilweise brauchten wir drei Leute um das Ganze nach oben zu ziehen. Nicht das Gewicht, sondern die enorme Windlast war das Problem! Die Schräge wurde beim Anbringen der Elemente übrigens vorher mit eingerechnet.

In der Riesen-Matchbox am Fuß des Mastes hatten wir die Station aufgebaut. So richtig warm wurde es trotz zweier Heizlüfter ehrlich gesagt nicht. Die dicken Winterjacken behielten wir daher vorsorglich an.

Während die einen sich um die Hauptantenne kümmerten, wurde eine Beverage (160m Draht) vom Eingangstor in Richtung Straße aufgespannt. Sie wurde über vorgefertigte 1 Meter lange Stöcke im Winkel von 45° in Richtung Japan gespannt.

Die ersten Messungen am Drahtbeam zeigten, dass er zwar genau auf Resonanz war, das SWR aber nicht unter 2,5:1 zu bekommen war. Das ist zwar kein Problem für die Endstufe, aber rein der Optik wegen wäre uns ein SWR von 1:1 schon lieber gewesen… Als es dämmerte und das Funken begann, waren wir jedenfalls platt!

Unsere Computer-Spezialisten hatten inzwischen einen Rechner mit Internet-Anbindung über eine UMTS Box installiert, die uns Stephan DF6PA zur Verfügung gestellt hatte. Über den Laptop waren wir jetzt mit Günters Skimmer verbunden, der uns Auskunft darüber gab, wo wir mit unserem CQ Ruf überall auf der Welt gehört werden. Eine tolle Sache und das beste Feedback, das man bekommen kann um eine Antenne oder die Ausbreitungsbedingungen zu testen!

Zwischen den riesigen Sendespulen und Kondensatoren des Rheinsenders hielten einige Hartgesottene ein kurzes Schläfchen oder kochten sich Glühwein auf dem Gaskocher. Fleischwurst und Brötchen war die Hauptnahrung und Cola half uns wach zu bleiben, wenn es nötig war. Die erste Nacht verging mit einer überschaubaren Anzahl von gearbeiteten DX-Stationen. Die Bedingungen waren nicht überdurchschnittlich gut. Am Samstagmorgen um 11:00 Uhr ging es weiter. Ottfried baute eine zweite Beverage Richtung Nordamerika auf und an anderer Stelle bereiteten wir eine Ein-Element 160m Delta Loop vor. Das Phasenkabel (75 Ohm Lambda Viertel) wurde im Schnee ausgemessen und in die Antennenleitung eingefügt. Dann zogen wir die ganze Takelage nach oben.

Bei den Gefrierschranktemperaturen war das kein Zuckerschlecken aber es gelang, mit vereinten Kräften. Letztendlich hatten wir die „Königin der Antennen“ ganz oben. Das SWR stimmte perfekt  – ein gigantischer Anblick und unserer Meinung nach reif für ein Foto im ARRL Antenna Handbook…  Gut, dass wir ein zweites Zugseil mit oben hatten!

Die zweite Nacht kam und wir begannen mit dem Austesten der Empfangsantennen. Schon bei Stationen in einigen Tausend Kilometer, zeigte sich eine deutliche Richtwirkung der Beverages. Sie funktionierten ebenfalls!

In der ersten Nachthälfte waren überwiegend russische und einige DX Stationen in Asien zu arbeiten, z.B. EY8MM, EA9EU und 3V8BB und etliche Amis. In der zweiten Nachthälfte wurde es dann umso turbulenter. Die Bedingungen hatten sich deutlich verbessert und plötzlich waren gleich mehrere DX Stationen aus Mittel- und Südamerika auf dem Band, 6Y3M, FM5CD, PJ2T und viele Nordamerikaner, um nur einige zu nennen. Zik (DK8ZZ) war zu der Zeit an der Taste und arbeitet eine „Rosine“ nach der anderen. Meist genügte ein einziger Anruf und wir waren dran. So etwas hatte noch keiner von uns erlebt – nicht auf 160m. Das Pile-up war für uns kein Thema. Unser Signal in der Karibik war offensichtlich nicht zu überhören und Zik war bis zum Sonnenaufgang nicht mehr von der Station zu bekommen.

Gegen 08:00 Uhr kam Ottfried und wir begrüßten ihn mit den Worten: „Was fehlt dir denn noch auf 160 Meter?“ „PJ2 in der Karibik war die Antwort “ und Zik antwortete „Moment – den finden wir gleich“. Ein Blick auf den Skimmer zeigte, dass PJ2T gerade auf 1.830 CQ rief. Es dauerte keine fünf Minuten und Ottfried hatte ein neues Land „im Kasten“. Die aufgehende Sonne beendete den Spuk auf 160m und auf dem Band waren nur noch europäische Stationen zu hören. Zeit, um die Station wieder zu verpacken und die Antennen herunter zu nehmen.

Schade, aber jedes noch so schöne Ereignis ist irgendwann einmal zu Ende. Mit Wehmut und einer „Träne im Knopfloch“ (Zitat DJ8KZ) schauten wir alle auf den alternden Sendemast, der nicht nur unsere Erfahrungen im Umgang mit solch niedrigen Frequenzen und Antennen bereicherte, sondern auch ein historisches Monument darstellt, welches vielen Rheinhessen über 60 Jahre den Weg nach Hause gewiesen hat.

Am Dienstag 19. Februar 2013 fand die Sprengung statt – Mit dem letzten Schlag der Mittagsglocke der Kirche in Wolfsheim endeten die Mittelwellenzeiten am Rheinsender.